Besonders während der Sommermonate führen häufige und starke Unwetter oftmals zu Beschädigungen von Bäumen. Äste brechen ab, Bäume stürzen um und treffen dabei womöglich Gegenstände oder verletzen sogar Menschen.
Doch wer haftet eigentlich für Schäden, die durch einen außerhalb eines Waldes befindlichen Baum verursacht werden? Wen treffen welche Sorgfalts- und Beweispflichten?
Mit der seit 01.05.2024 eingeführten neuen Regelung (§ 1319b ABGB) wird nunmehr versucht, Baumhalter:innen ihre übertriebenen Haftungsängste zu nehmen und – aus Umwelt- und Klimaschutzinteressen – dabei das Allgemeininteresse und die Erhaltung des Baumbestandes zu berücksichtigen. Der Sondertatbestand des § 176 ForstG bleibt von der neuen Regelung unberührt.
Die Ausgangslage:
A wird von einem herabfallenden Ast von einem Baum, welcher am Grundstück des B steht, erfasst und dadurch verletzt. Von wem kann nunmehr A für die erlittene Verletzung Schmerzengeld verlangen? Welche Pflichten trifft B als Grundstückseigentümer:in und Baumhalter:in?
Generell haften Baumhalter:innen, also jene Personen, die die Verfügungsgewalt über den Baum ausüben und damit die Möglichkeit zur Kontrolle und Veranlassung weitgehender Maßnahmen zur Sicherung haben (denkbar sind sohin auch Mieter:innen / Pächter:innen).
Alte Rechtslage:
Bisher wurde die Haftung für Schäden, die durch das Umstürzen eines Baumes oder das Herabfallen von Ästen verursacht wurden, mittels eines Analogieschlusses gemäß den Regeln der Bauwerkhaftung iSd § 1319 ABGB geprüft. Dieser Haftungstatbestand birgt für Schädiger:innen (Baumhalter:innen) im Vergleich zu den allgemeinen Haftungsregeln zwei Nachteile: Erstens genügte gemäß herrschender Ansicht ein objektiver Sorgfaltsverstoß der Baumhalter:innen unabhängig von der subjektiven Vorwerfbarkeit für die Haftung. Zweitens führte dies zu einer Beweislastumkehr. Das heißt, dass eine Haftungsbefreiung nur durch den Nachweis der Schädiger:innen (Baumhalter:innen), alle objektiven Sorgfaltspflichten eingehalten zu haben, möglich war. Dies führte in der Vergangenheit zu enormen Haftungsängsten der Baumhalter:innen, was oftmals zu unnötigem Zurückschneiden oder gar Fällen von Bäumen führte.
Neue Rechtslage:
Durch die neue Regelung (§ 1319b ABGB) haben nunmehr die Geschädigten, welche Ansprüche (Schmerzengeld) gegenüber Schädiger:innen (Baumhalter:innen) geltend machen (wollen), den (mitunter schwierigen) Nachweis zu erbringen, dass durch die Schädiger:innen (Baumhalter:innen) Sorgfaltspflichten verletzt wurden. Haftungsbegründend ist die (zumindest leicht fahrlässige) Vernachlässigung der erforderlichen Sorgfalt bei der Prüfung und Sicherung eines Baumes.
Doch welche Sorgfaltspflichten treffen den Baumhalter:innen?
Kriterien für das Ausmaß der Sorgfaltspflichten sind der Standort (zB. neuralgische Punkte, etwa neben einer Straße, einem Kinderspielplatz etc.), die Größe, der Wuchs, der Zustand, das Alter des Baumes sowie die Zumutbarkeit von Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen.
In erster Linie reicht an sich die optische Kontrolle des Baumes vom Boden aus (Augenscheinkontrolle). Ergeben sich aus einer Kontrolle Indizien für eine mangelnde Beschaffenheit des Baumes, sind Baumhalter:innen dazu verpflichtet (weitere) Prüfungs- und Sicherungsmaßnahmen zu treffen, wie bspw geeignete Baum- oder Astschnitte, technische Stabilisierungsmaßnahmen oder -absperrungen, um die Gefährdung Dritter auszuschließen.
Eine weitere Neuerung in Bezug auf die Baumhaftung besteht darin, dass Naturbestände, welche in einem besonderen öffentlichen Interesse stehen (z.B. Naturdenkmäler), besonders berücksichtigt werden. In diesen Fällen werden Absperrungen und Zutrittsbeschränkungen bevorzugt angewandt.